#7 Happy Dashain 2072!

Endlich kann ich euch von den Feierlichkeiten zu den Hauptfeiertagen des wichtigsten Hindufestes Dashain berichten. In Nepal schreiben wir gerade übrigens wirklich das Jahr 2072. Die nepalesische Zeitrechnung ist unserer nämlich um ungefähr 57 Jahre voraus, um genau zu sein um 56 Jahre und 9 Monate, und das neue Jahr beginnt Mitte April, aber das nur so am Rande. (Da es seeeeehr viel zu berichten gibt, wurde der Artikel etwas länger und ich habe deshalb ein paar Überschriften eingefügt, ich hoff es ist lesbar).

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Im Supermarkt sind alle schon voll in Stimmung:)

 

Aber was ist Dashain überhaupt?

Dashain (wird auch Dassein, Dashein, oder sonst irgendwie so geschrieben, aber immer Dasain ausgesprochen) dauert eigentlich 10 Tage, worauf der Name eigentlich schon hindeutet, weil „Das“ auf Nepalesisch nichts anderes als 10 bedeutet. In der Praxis wird aber immer bis zum nächsten Vollmond gefeiert, wodurch das ganze Fest 15 Tage dauert. Es geht bei Dashain um den Sieg der Götter über die Dämonen, also über das Böse im Allgemeinen, was auch Sorgen und Probleme mit einschließt. Um genau zu sein, hat der Gott Durgha am neunten Tag einen Dämon besiegt, und der Gott Rama am zehnten Tag einen anderen Dämon, weswegen diese Tage die wichtigsten sind. Ehrlichgesagt, habe ich davor auch noch nicht wirklich was von Feierlichkeiten gemerkt, höchstens mal ein Dashain-Rabatt, der an Läden angepriesen wurde. Sehr wichtig ist an Dashain auch, dass die ganze Familie zusammen kommt. Deswegen fahren viele Nepalesen, die in Kathmandu leben, über Dashain zu ihren Verwandten in die Dörfer, und die Stadt ist auch irgendwie etwas leerer als sonst. Außerdem gehört zu Dashain die Opferung von Tieren, um die Gunst der Götter zu erlangen, und genau damit fing mein Tag gestern an.

Die Sache mit den Ziegen…

Ich habe ja in meinem letzten Artikel schon berichtet, dass es wegen diesem Brauch plötzlich sehr viele Ziegen in den Straßen gibt, die dann auf dem Gehweg geschlachtet werden. Zwei Tage vor den Festtagen standen dann auch plötzlich bei uns zwei Ziegen im Hof. Zuerst dachten wir Praktikanten sowas wie ist ja cool, jetzt haben wir Ziegen als Haustiere? Bis uns auf einmal in den Sinn kam, was wohl die Bestimmung dieser kleinen pelzigen Freunde sein musste… Die Kinder haben uns dann auch ganz neutral gesagt, dass die Ziegen nur für zwei Tage hier sind, und dann zum Schlachter gebracht werden. Das war für uns zuerst mal ziemlich verstörend, weil die Kinder auch richtig mit den Ziegen gespielt haben, und sich um sie gekümmert haben, obwohl alle ganz genau wussten, was mit den Tieren passieren soll.

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Unser Festmahl, wie es sich noch fröhlich im Garten und zur Übernächtigung im Hausgang vollfrisst...
Unser Festmahl, wie es sich noch fröhlich im Garten und zur Übernachtung im Hausgang vollfrisst…

Richtig amüsant wurde dann erst die erste Nacht mit den Ziegen. Die konnten wegen unserem Hund nämlich nicht einfach draußen gelassen werden, und standen dann erst einmal im Flur vor unserem Zimmer, wodurch wir von einem nicht enden wollenden Gemeckere in den Schlaf gewiegt wurden. Oder auch nicht. Irgendwann wurden die Ziegen dann auf den Balkon im ersten Stock gebracht, was uns doch weitaus angenehmer war. Am Morgen des neunten Tages von Dashain, war es dann so weit. Kurz vor Sonnenaufgang wurden die Ziegen zum Metzger an der nächsten Straßenecke gebracht. Vielleicht fragt ihr euch, warum ich das so genau weiß, wo ich doch vor Sonnenaufgang noch schlafen sollte. Die Kinder haben aber am Tag vorher gesagt, dass falls es uns interessiert, wir mitkommen können, wenn die Ziegen geschlachtet werden. Mein erster Gedanke war ungefähr „Iiiih Nein um Gottes Willen, wie schrecklich warum sollte ich mir sowas anschauen?!“. Mein zweiter Gedanke ging schon mehr in die Richtung von „Hm, wann kann man das schon mal sehen, und dann auch noch so auf offener Straße? Und bin ich nicht hier her gekommen, um Dinge zu sehen, die ich in Deutschland nie sehen werde?“. Als letztes kam einfach die Neugierde dazu, weil es mich auch mal interessiert hat, ob mir so etwas was ausmacht. Und so haben ein paar andere Praktikanten und ich uns dazu entschieden uns das „Spektakel“ anzusehen, und schließlich standen wir morgens um 5 da und haben uns gegenseitig für verrückt erklärt. Es war auch irgendwie verrückt, aber es war auch gut, dass es so früh morgens war, wo wir alle noch nicht so auf unserer geistigen Höhe waren;) Tja dann wurden die Ziegen mit dem Kopf festgebunden und hinten festgehalten, und mit einem riesigen Messer wurde dann einfach der Kopf abgeschlagen. Das war schon irgendwie verstörend, wie der Kopf dann einfach neben dem Körper lag und das ganze Leben so auf einmal aus der Ziege gewichen war. Natürlich geschah alles auf offener Straße, ohne Hygienemaßnahmen oder ähnlichem. Als nächstes wurde die Ziege ausgenommen, was ich überraschenderweise gar nicht eklig fand, sondern eher interessant, und die ganzen Kleinteile, also eigentlich alles von der Ziege, haben wir dann mitgenommen. Wer mehr Details, oder sogar Fotos oder Videos möchte, kann sich gerne bei mir melden. Ich glaube, es ist im Sinne von vielen, dass ich hier keine Fotos von halben Ziegen hochlade;)

Als wir dann zurückkamen hat sich sofort alles an die Bearbeitung der Ziegenteile gemacht. Und bald schon begannen die Feierlichkeiten für die Festtage.

Wie wir Dashain gefeiert haben

An beiden Tagen kamen beide Häuser zusammen, was auch schön war, weil es unter den Häusern viele Geschwister gibt, die so das Fest gemeinsam verbringen konnten. Am Mittwoch, also dem neunten Tag, wurden vormittags die Motorräder gesegnet. Bei dieser kleinen Zeremonie lief der Hausherr mit Räucherstäbchen um die Motorräder, bespritzte sie mit einer Flüssigkeit, und bemalte sie mit Tika, einem roten Pulver, das zusammen mit Wasser rote Farbe gibt. Anschließend wurden noch Bänder an die Lenker gehängt. Damit soll den Göttern gehuldigt werden, sodass man mit den Fahrzeugen immer sicher unterwegs ist. (Das wird übrigens mit allen Fahrzeugen gemacht aber wir haben halt nur Motorräder.)

Hier sieht man die Motorräder am Ende der Zeremonie, mit den Bändeln am Lenker, und wenn man genau hinschaut, sieht man die Farbe am Rad und vorne dran.
Hier sieht man die Motorräder am Ende der Zeremonie, mit den Bändeln am Lenker, und wenn man genau hinschaut, sieht man die Farbe am Rad und vorne dran.

Anschließend hat jeder eine kleine Tika, also einen kleinen roten Punkt, auf die Stirn bekommen. Zum Mittagessen gab es dann erste Teile der Ziege, und zwar das Innenleben… Die kleinen Stücke der Innereien sahen ein bisschen aus wie frittiert, und die Kinder haben irgendwas von Blut gesagt, also ich weiß auch nicht genau was das war. Da ich allgemein kein Fan von Innereien bin, hat mir das auch überhaupt nicht geschmeckt. Es gab zur Feier des Tages auch Cola, Fanta und Sprite. Normalerweise gibt es außer der morgendlichen Milch und manchmal Tee nur Wasser. Den Rest des Tages haben dann alle zusammen gespielt, und einfach einen schönen Tag verbracht. Über ein paar Tage von Dashain haben übrigens auch die meisten Läden zu.

Die Ziegeninnereien, und das daneben ist so Knusperzeug, was es manchmal so dazu gibt.
Die Ziegeninnereien, und das daneben ist so ein undefinierbares Knusperzeug, das es öfters dazu gibt.

Am Donnerstag, also am zehnten Tag kamen wieder die Kleinen aus dem anderen Haus, so dass alle zusammen waren. Die Kleinen kamen schon morgens um 8, aber seltsamerweise gab und gab es kein Essen… Wir haben uns schon alle gewundert und manche von uns waren auch zwischendurch beim Bäcker, und wir haben uns an einer großen Schale mit Bananen bedient, weil wir echt irgendwann Hunger bekommen haben. Dass uns die Kleinen dabei verwirrt angeschaut haben, haben wir irgendwie erst im Nachhinein realisiert. Zwischendurch hat die Schwester des Hausherrn die „richtige“ Tika angerührt, und verschiedene Sachen hingerichtet.

Die Tika wird angerührt.
Die Tika wird angerührt, aus Bananen, Reis, Joghurt, und dem Farbpulver.

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Irgendwann hieß es dann, dass es um 10 Uhr die „Zeremonie“ geben soll und danach Essen. Daraus wurde dann 11:55 und endlich kam die Auflösung der ganzen Sache. Draußen waren Teppiche ausgelegt, auf denen für jeden ein Teller mit Obst stand. (Dafür waren also die Bananen gedacht, hups… naja hat ja keiner gemerkt:D )

Alle stehen um die Teller mit Obst, und um die Zeit zu vertreiben, singen sie die nepalesische Nationalhymne.
Alle stehen um die Teller mit Obst, und um die Zeit zu vertreiben, singen sie die nepalesische Nationalhymne.

Daneben stand, wie zu einer Art Altar, die Tika und verschiedene Blumen hergerichtet, sowie etwas, das aussah wie Grashalme, fein säuberlich auf einen Teller gelegt. Navraj (sprich Nafrasch), der Hausherr, hat uns dann erklärt, was es mit Dashain auf sich hat, und auch, was die vermeintlichen Grashalme sind. Das sind Kräuter, vermutlich etwas Ähnliches wie Schnittlauch, die am ersten Tag von Dashain vom Hausältesten gepflanzt werden, und dann jeden Tag gegossen werden. Am zehnten Tag werden sie dann geerntet. Er erklärte auch, warum es so lange nichts zu essen gab. Der Priester hat nämlich festgelegt, dass die formellen Riten um 11:55 beginnen sollen, und so wird es dann auch gemacht, und vorher soll es nichts zu essen geben. Allerdings waren wir mit den Erklärungen schon früher fertig, und obwohl dann zum Zeitvertreib noch ein paar Lieder gesungen wurden (Wir haben sogar die deutsche Nationalhymne vorgesungen) war es immer noch 20 vor 12, und dann hat Navraj einfach beschlossen jetzt anzufangen. Der erste Teil war der, sagen wir mal, interessanteste. Es wurde nämlich ein kleiner Strauch von den Kräutern über der Haustüre befestigt, und zwar mit nichts anderem als Kuhmist. Ich hab es gar nicht glauben können, als der Hausälteste, der in unserem Fall der Navrajs Vater und Leiter des anderen Hauses ist, wirklich mit seinen Fingern die Kuhsch**** über der Türe angebracht hat, und dann den Kräuterbüschel da irgendwie reinfabriziert hat. Am Ende kam noch was von der Tika drauf, und es wurden ein paar Blumen daneben gestellt.

Der "Schmuck" über der Türe...
Wer will denn keinen Kuhmist über der Eingangstüre? 😛

Dann ging es daran, dass alle eine Tika auf die Stirn bekommen. Allerdings nicht so, wie das bei uns vielleicht wäre, dass die Kleinen zuerst dürfen. Es ging bei den Ältesten los, und die Jüngsten kamen ganz am Ende. Die Kinder schienen aber auch nicht ungeduldig zu sein. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es hier der Respekt vor den Älteren im Allgemeinen mehr praktiziert wird als bei uns. Der Hausälteste hat jedem die Tika auf die Stirn gemacht, und man hat etwas von den Kräutern ins Haar und hinter das Ohr bekommen (Irgendwie sah das aus, als wär man in einem Busch hängen geblieben, und hätte ausversehen das ganze Grünzeug auf dem Kopf, aber so gehört das anscheinend…). Wenn ich es richtig verstanden habe, ist die Tika ein Zeichen dafür, dass man den Segen Gottes empfangen hat. Es ist auch üblich, sich dabei gegenseitig etwas zu wünschen. Dem Bruder von Navraj wurde zum Beispiel gewünscht, dass er dieses Jahr heiraten wird, und einem anderen Praktikanten haben die süßerweise Kinder gewünscht, dass er Deutschlands bester Fußballspieler wird. Nachdem man die Tika empfangen hat, bekommt man als „Geschenk“ den Teller mit Obst, der das erste Essen des Tages ist. Normalerweise beschenken sich Freunde und Verwandte auch mit Geld oder anderen Geschenken, also ähnlich wie bei uns an Weihnachten.

Ich bekomme meine Tika.
Ich bekomme meine Tika.
Alle Praktikanten ausgestattet mit Tika und Obst:)
Alle Praktikanten ausgestattet mit Tika und Obst:)

Gegen 14 Uhr gab es dann ein richtiges Essen, natürlich wieder mit Ziege. Ich habe aber dieses Mal von vornerein auf das Fleisch verzichtet, weil es irgendwie komisch aussah und komisch gerochen hat, und es soll auch komisch geschmeckt haben. Allgemein machen die Nepalesen weniger Filets oder etwas derartiges, so wie wir das kennen. Stattdessen wird das Fleisch (auch Hühnchen, das es einmal die Woche gibt) mitsamt der Knochen in viele kleine Teile geschnitten, wodurch man also immer erstmal die Knochen rauspulen darf.

Was man an Dashain sonst noch so macht

Eine Sache, die typisch für Dashain ist, ist Schaukeln, weil man mit Hilfe der Schaukel von der Erde abheben kann. Die Jungs haben deshalb auf abenteuerliche Weise eine Schaukel aus großen Bambusstäben gebaut, die in Deutschland zwar nie jemand betreten würde, die aber ihren Zweck bestens erfüllt hat.

Sieht etwas experimentell aus, aber die Schaukel war super:)
Bei diesem Kletterexperiment zum Bau der Schaukel darf man zwar nicht genau hinschauen, aber letzendlich hat es sich gelohnt.
Whole family♥
Whole family♥

Außerdem typisch für Dashain ist es, Drachen steigen zu lassen, als ein Zeichen des Friedens. Die Kinder hier, aber auch andere Kinder, die man so auf der Straße sieht, basteln die Drachen dazu aus Plastik und dünnen Holzstäben. Wir wurden deshalb regelmäßig gefragt, ob wir nicht eine übrige Plastiktüte hätten, mit der die Kinder einen Drachen bauen könnten. Die Drachen fliegen übrigens bestens, und bei geeignetem Wind bestimmt 500m hoch.

Allgemein kann man sagen, dass Dashain mit Weihnachten schon einige Ähnlichkeiten hat, wie zum Beispiel die Geschenke, oder dass die Familie zusammenkommt. Es lag auch irgendwie eine besondere und festliche Stimmung in der Luft, die irgendwie an Weihnachten erinnert hat, und fast eine kleine Entschädigung dafür war, dass ich dieses Jahr Weihnachten nicht in Deutschland verbringen kann.

Ich glaube ich habe alles ausführlichst beschrieben, und wie gesagt, wer an mehr Details zum Thema Ziegenschlachtung interessiert ist, kann sich gerne bei mir melden:)

Bis Bald,

Eure Josie

One thought on “#7 Happy Dashain 2072!

  1. Hi Josie, wieder mal ein super interessanter blog. Du hast übrigens in Ellwangen und umgebung einen grossen leserkreis, ingrid wird im städtle von allen möglichen leuten auf deinen blog angesprochen. also mach weiter so, wir sind gespannt auf die nächsten erlebnisse. papa

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