#19 Bardiya I – Leben im Dorf

 

Zwei Wochen in einem Dorf in Nepal verbringen und das wahre nepalesische Leben kennen lernen, dieses Angebot konnte ich einfach nicht ausschlagen. Ende Februar ging es für mich und einen anderen Praktikanten deshalb mit einer 15 stündigen Busfahrt los Richtung Bardiya, wo wir an einer Schule Englisch Unterricht geben sollten.

In diesem Eintrag berichte ich hauptsächlich vom Dorfleben und allem was dazugehört. Die Berichte zu unserem Alltag in der Schule, zu Ausflügen in den Nationalpark und zu einer großen Brücke in der Nähe, sowie zu den Erlebnissen als wir eine nepalesische Hochzeit besuchen durften, und wie das Fest Shivaratri für den Gott Shiva gefeiert wurde, folgen in den nächsten Einträgen.

Dort wo der schwarze Kreis ist, liegt der Distrikt Bardiya. Wie man sieht, gibt es dort auch einen Nationalpark, und es liegt ein ganzes Stück weg von Kathmandu und fast an der indischen Grenze.
Dort wo der schwarze Kreis ist, liegt der Distrikt Bardiya. Wie man sieht, gibt es dort auch einen Nationalpark, und es liegt ein ganzes Stück weg von Kathmandu und fast an der indischen Grenze.

Mit einem überdurchschnittlich luxuriösen Bus, der sogar einen Flachbildschirm hatte, auf dem nepalesische Musikvideos liefen, sind wir also fast bis ans andere Ende von Nepal getuckert. Da ich nicht vorhabe Kathmandu in meinen verbleibenden 3 Wochen nochmal zu verlassen, habe ich zum letzten Mal gesehen, wie sich die Stadt langsam in große grüne Hügel verwandelt, und die Hügel immer kleiner werden, bis man schließlich im tellerflachen Terai angekommen ist. Gegen 21 Uhr waren wir dann schließlich dort, und Gott sei Dank wurden wir von einem von dort kommenden Nepalesen aus Kathmandu begleitet, denn der musste erst einmal rumtelefonieren, bis wir dann mit dem Schulbus (?!) der Schule abgeholt wurden. Als wir dann bei unseren Gasteltern angekommen sind, wurde uns noch ein Dal Bhat verfüttert, wobei sie alle gar nicht glauben konnten, dass wir lieber mit der Hand als mit dem Löffel essen, weil wir das ja schon gewöhnt sind, und sich der Reis mit dem Dal mit der Hand viel besser vermischen lässt. Dann sind wir aber relativ schnell schlafen gegangen, und am nächsten Morgen, bevor es in die Schule (LINK) ging, konnten wir uns mal einen kleinen Überblick über die Lage verschaffen.

Gewohnt haben wir bei einem der Gründer der Schule (was ansonsten seine Aufgabe oder sein Beruf war, weiß irgendwie keiner so genau, aber er schien irgendwie wichtig gewesen zu sein…) und seiner Frau, die sich unglaublich lieb um uns gekümmert hat. Die beiden hatten so ziemlich das größte Haus im Dorf, und hier hat man schon mal gesehen, dass Dorfleben nicht immer gleich Steinzeitleben bedeutet. Im Wohnzimmer hing nämlich ein Flachbild Fernseher, und auch in meinem Zimmer stand ein Fernseher, auch wenn das linke Drittel des Bildschirms rot, und das rechte Drittel grün war. Man konnte zwar nur abseits der Stromsperren fernsehen, aber dann war unsere Gastmutter größter Fan von indischen Bollywood Serien (nicht ganz mein Geschmack…).

Das Haus.
Das Haus.
Das kleine graue Häuschen in der Mitte des Bildes beherbergt hinter der silbernen Tür die Toilette, und hinter der blauen das Badezimmer. Das Gebäude links war zum Teil Stall für den Büffel, und zum Teil einfach Abstell- und Lagerraum.
Das kleine graue Häuschen in der Mitte des Bildes beherbergt hinter der silbernen Tür die Toilette, und hinter der blauen das Badezimmer. Das Gebäude links war zum Teil Stall für den Büffel, und zum Teil einfach Abstell- und Lagerraum.
Ich mit unseren Gasteltern und meinem Mitpraktikanten.
Ich mit unseren Gasteltern und meinem Mitpraktikanten.
Die Nepalesinnen sind nicht gerade die größten;)
Die Nepalesinnen sind nicht gerade die größten;)
Einen Hund hatten wir auch, den kleinen Bobbi:)
Einen Hund hatten wir auch, den kleinen Bobbi:)
Das Wohnzimmer im ersten Stock, mit außerordentlich bequemen Sofas.
Das Wohnzimmer im ersten Stock, mit außerordentlich bequemen Sofas.
Hier ist auch das Prachtstück: Der Fernseher.
Hier ist auch das Prachtstück: Der Fernseher.
Einen interessanten Dekorationsgeschmack haben sie ja schon...
Einen interessanten Dekorationsgeschmack haben sie ja schon…
Die Küche (ich habe nur dieses eine Foto, weil ich mir nicht sicher war, ob das Fotografieren der Küche so gut kommt. Ursprünglich hieß es nämlich, dass wir aus kulturellen Gründen die Küche gar nicht betreten sollen, aber am Ende haben wir sogar in der Küche gegessen.)
Die Küche (Ich habe nur dieses eine Foto, weil ich mir nicht sicher war, ob das Fotografieren der Küche so gut kommt. Ursprünglich hieß es nämlich, dass wir aus kulturellen Gründen die Küche gar nicht betreten sollen, aber am Ende haben wir sogar in der Küche gegessen, und bei anderen waren wir auch in der Küche, das scheint also doch nicht so eng gesehen zu werden.)
Wunderschöne Blumenkübel:)
Wunderschöne Blumenkübel:)
Mein Zimmer, das ursprünglich einem der drei schon ausgezogenen Söhne gehörte. Leider war das Bett nicht mal halb so bequem wie es aussah...
Mein Zimmer, das ursprünglich einem der drei schon ausgezogenen Söhne gehörte. Leider war das Bett nicht mal halb so bequem wie es aussah…

Im Hof neben dem „Klohäuschen“ hatten wir einen ganz gewöhnlichen Pumpbrunnen. Da die meisten keine Wasseranschlüsse im Haus haben, ist der Brunnen die einzige Wasserquelle. Aber ihn direkt im Hof zu haben ist ja eigentlich noch ganz praktisch, ich wäre auch von einem Brunnen für alle nicht überrascht gewesen. Unser Haus hatte sogar im Obergeschoss noch Wasserhähne und eine Waschecke, wo dann immer das Geschirr gespült wurde.

Hier sieht man den Brunnen, und dahinter das von ein paar Fröschen bewohnte Becken, in das das Wasser einfach ablief.
Hier sieht man den Brunnen, und dahinter das von ein paar Fröschen bewohnte Becken, in das das Wasser einfach ablief.
Die Waschecke, mit richtigem Waschbecken und nochmal zwei Hähnen in der Wand.
Die Waschecke, mit richtigem Waschbecken und nochmal zwei Hähnen in der Wand.

Die Toilette war, wie eigentlich immer hier, außerhalb des Hauses und es war ein einfaches Stehklo. Auch hier im Dorf wird natürlich auf Klopapier verzichtet, und man macht sich mit Wasser und unter Beihilfe der linken Hand sauber, was im Grunde nur halb so eklig ist, wie es klingt. Im Gegensatz zu den meisten Häusern hier, die das Wasser dazu vom Brunnen holen, hatten wir einen Wasserhahn, mit dem man bequem im stillen Örtchen den Eimer befüllen konnte. Ein weiterer Luxus dieses Hauses war, dass es auch einen gesonderten Raum gab, den man als Badezimmer bezeichnen kann. Die meisten Leute hier waschen sich einfach an ihrem Brunnen vor dem Haus und wickeln sich dazu eben in Tücher ein. Wenn man mal von dem Gedanken abgekommen ist, dass ein Badezimmer schön zu sein hat, um seinen Zweck zu erfüllen, fand ich dieses Bad genial, denn aus dem Duschkopf kam richtig viel Wasser, nicht nur so Getröpfel wie bei unserer Duschbrause in Kathmandu. Warm war es natürlich nicht, aber das bin ich inzwischen ja schon gewöhnt.

Ich weiß, Klofotos sind nie schön...
Ich weiß, Klofotos sind nie schön…

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Was unsere Familie auch hatte, war ein Büffel. Büffel sind hier neben Ziegen sehr verbreitete Tiere und werden ihrer Milch wegen, und auch als Arbeitstiere gehalten. Jeden Morgen hat unser Gastvater das liebe Tier, das trauriger Weise den ganzen Tag nur im Stall rumsteht, gemolken und die Milch wurde dann gekocht und zum Essen getrunken. Zum Essen gab es zwei Mal täglich das gewohnte Dal Bhat. Lecker, aber nicht ganz so gut wie unsere Hausdidis das in Kathmandu hinkriegen;)

 

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Unser täglich Brot:)
Unser täglich Brot:)

Das zweite Getränk, was da noch steht, wurde auch aus der hauseigenen Milch hergestellt. Dazu wurde die Milch in einen hohen Behälter gefüllt, in den ein Stab mit zahnradförmigen Zacken gestellt wurde. Darum war eine Schnur mit Holzstücken an den Enden gewickelt, an denen dann abwechselt gezogen wurde, wodurch sich der Stab gedreht hat. Wer das gemacht hat, hat sein tägliches Bizepstraining schon absolviert, das geht nämlich ziemlich in die Arme. Es hat sich dann oben in der Milch in Flocken das Fett abgesetzt, das war also nichts anderes als Sahne. Und wenn man das weiter verarbeitet hätte, hätte man daraus Butter machen können. Unsere Gastmutter hat daraus aber Ghee, also Butterschmalz, gemacht, was als Fett zum Kochen verwendet wurde. Das übrige in dem Topf wurde als „Moi“ bezeichnet, und wenn ich mich nicht täusche war das Buttermilch, was wir dann neben der Milch zum Trinken bekommen haben. Das war am Anfang ziemlich ungewohnt sauer, aber mit der Zeit fand ich es eigentlich ganz gut.

Die Gastmutter beim morgendlichen Workout mit der Milch.
Die Gastmutter beim morgendlichen Workout mit der Milch.

Die Kommunikation mit unseren Gasteltern war ein kleines Abenteuer für sich. Unser Gastvater konnte wenige Worte Englisch, und unsere Gastmutter anfangs quasi gar nicht. Wir haben dann unsere paar Brocken nepalesisch, die wir uns in den vergangenen Monaten angeeigneten haben, angewendet und mit Händen und Füßen hat das ganz gut funktioniert. Mit der Zeit haben wir aber richtig voneinander gelernt, sie hat uns immer nach den englischen Wörtern für alles gefragt, und wir haben einige nepalesische Wörter dazugelernt. Unsere Gastmutter konnte aber die englischen Wörter deutlich besser behalten, und gegen Ende konnten wir uns richtig unterhalten, wenn es auch immer noch von beiden Seiten eine grammatiklose Aneinanderreihung englischer Wörter war, aber wir haben uns verstanden.

Während der kompletten Zeit ist es immer wieder passiert, dass sich ein paar Leute vor unserem Haus angesammelt haben, die uns einfach nur angeschaut haben, während wir da so saßen. Angeblich waren im Nachbardorf vor einigen Jahren mal ein paar Amerikaner, aber ansonsten waren wir die ersten Weißen, die in die Gegend kamen. Einmal waren zwei Mädels aus der Nachbarschaft da, die sind einfach in mein Zimmer gekommen, haben sich vor mich hingesetzt und mich beobachtet wie ich gerade die Erlebnisse des Tages aufgeschrieben habe, als wäre es das spannendste der Welt. Irgendwann hat sich eine getraut zu fragen, wie ich heiße, aber mir dann zu verraten wie sie heißen, dazu waren sie viel zu schüchtern:)

Sehr amüsiert haben wir uns die ganzen zwei Wochen lang über die Sache mit dem Highway. Es gibt nämlich eine Straße, die auch auf der obigen Karte eingezeichnet ist, und die einmal quer durch Nepal führt. Das ist der sogenannte Mahendra Highway. Diese Bezeichnung klingt ja angesichts der Länge auch plausibel. Das Dorf, in dem wir gelebt haben, lag auch direkt an diesem Highway, und wir mussten ihn jeden Morgen auf dem Weg zur Schule überqueren. Klingt nach einer sehr gefährlich Angelegenheit, aber ich präsentiere, das ist der „Highway“:

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Abends war regelrechter Hochbetrieb;)
Abends war regelrechter Hochbetrieb;)
Tagsüber dagegen manchmal eher weniger...
Tagsüber dagegen manchmal eher weniger…

Diese schmale Straße, die bei uns höchstens zwei kleine Käffer miteinander verbinden würde, und die tagsüber hauptsächlich von Fahrrädern befahren wird, ist mehr oder weniger der einzige Weg für Fahrzeuge, Nepal zu durchqueren. Die Straße zwischen Neunheim und Ellwangen ist breiter als dieser Teerstreifen, der konsequent als Autobahn bezeichnet wird. Fast schon stolz wurde uns von mehreren Leuten erklärt, dass man auf dieser Straße durch gaaaanz Nepal fahren kann, wovon sie alle ganz begeistert waren. Dass wir in Deutschland zig Autobahnen haben, die alle mindestens 4 Mal so breit sind, und auf denen man in allen Richtungen quer durchs ganze Land fahren kann, habe ich dann besser mal nicht erwähnt. Wenn man bedenkt, dass es abgesehen von den wenigen „Highways“ dieser Größe außerhalb von Kathmandu quasi keine geteerten Straßen gibt, ist das eigentlich schon ziemlich erschreckend.

Hier sieht man das Highwaynetz durch Nepal. Nur an sehr wenigen Stellen ist da was zweispurig.
Hier sieht man das Highwaynetz durch Nepal. Nur an sehr wenigen Stellen ist da was zweispurig, und viele geteerte Straßen gibt es auf dem Land davon abgesehen nicht.

An unserem ersten Tag haben wir uns gleich mal auf Dorfexpedition begeben. Wie bereits gesagt, der Ort lag direkt am Highway, war also nicht ganz so ab vom Schuss, wie man vielleicht meinen könnte. Ungefähr 3km weiter gab es einen größeren Ort, der sogar ziemlich viele Läden hatte, mit allem, was man so braucht. In unserem Dorf gab es ziemlich genau einen Laden, dessen Sortiment aber von Putzmittel über Papier bis zu Kaugummi reichte. Als wir dann da so rumgelaufen sind, habe ich mich gefühlt wie im Urlaub. Es war unglaublich warm (wir hatten kein Thermometer, aber es hatte nachmittags bestimmt immer weit über 30°C) und irgendwie war die ganze Atmosphäre total entspannt und unstressig.

Solche Straßen gibt es eher, und natürlich kann ein Motorrad da problemlos fahren...
Solche Straßen gibt es eher, und natürlich kann ein Motorrad da problemlos fahren…
Ich bewundere immernoch die Menschen, die diese Mengen tragen können...
Ich bewundere immernoch die Menschen, die diese Mengen tragen können…

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Typische Häuser hier: Ein mit Lehm verputztes Bambus-Stroh-Gerüst.
Typische Häuser hier: Ein mit Lehm verputztes Bambus-Stroh-Gerüst.
Einmal hab ich sogar einen Traktor gesehen!
Einmal hab ich sogar einen Traktor gesehen!
Ansonsten fahren hier eher solche Gefährte.
Ansonsten fahren hier eher solche Gefährte.

Allgemein weiß ich jetzt, was damit gemeint ist, wenn es immer heißt in den Industrieländern geht alles so schnell und alles ist so gehetzt. Das kam mir in Deutschland, oder auch in Kathmandu nie so vor, aber in Bardyia schien dagegen alles in Zeitlupe zu passieren. Es fängt schon bei der Laufgeschwindigkeit der Leute an, die meisten schleichen regelrecht (der Rektor der Schule war mit seinem Schnekentempo ganz vorne mit dabei…). Aber wozu auch sich beeilen, wenn man doch Zeit hat. Und Zeit haben die Menschen hier genug. Viele leben mehr oder weniger von ihren eigenen Erzeugnissen, und hatten noch nie in ihrem Leben so etwas wie Berufsstress oder viele Termine, die sie unter einen Hut bekommen müssen. Oft sitzen sie halt so vor ihren Häusern rum, und schlendern mal nach hier und mal nach da, und wenn sie damit fertig sind, dann wird eben noch Gras für die Tiere geschnitten, oder einer anderen Arbeit nachgegangen.

Mit der Gastmutter beim Gras für den Büffel schneiden, mit einer traditionellen Sichel, wie ich sie in der Hand halte.
Mit der Gastmutter beim Gras für den Büffel schneiden, mit einer traditionellen Sichel, wie ich sie in der Hand halte.
Hier haben wir Kurkuma geschnitten, wovon man total gelbe Hände bekommt. Der Kurkuma wurde danach in der Sonne getrocknet und wir dann in einer nahegelegenen Mühle zu Pulver verarbeitet, was hier ein wichtiges Gewürz ist.
Hier haben wir Kurkuma geschnitten, wovon man total gelbe Hände bekommt. Der Kurkuma wurde danach in der Sonne getrocknet und wir dann in einer nahegelegenen Mühle zu Pulver verarbeitet, was hier ein wichtiges Gewürz ist.

Als wir dann so durchs Dorf spaziert sind, haben uns die meisten Leute wieder ziemlich angeglotzt und wir wurden sogar mehrmals auf einen Tee eingeladen und bei einem Haus haben wir zum Beispiel Papaya bekommen, denn Papayabäume sind hier ungefähr so häufig wie bei uns Apfelbäume. Die Sache mit dem Tee finde ich auch eine unglaublich tolle Angewohnheit der Menschen. Wenn immer jemand zu Besuch ist oder auch nur kurz vorbeischaut, bekommt er einen Masala Tee. Das ist eine Art Schwarztee mit einer speziellen Gewürzmischung und einem Schuss Milch, und wie ich finde unglaublich lecker.

 

Gruppenfoto mit den Touris;)
Gruppenfoto mit den Touris;) Es war unvermeidbar, dass sich überall wo wir stehengeblieben sind, eine kleine Menschentraube um uns gebildet hat… In der Hand halte ich übrigens noch ein Stück Papaya.

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Eine Frau hat mir einfach so ihr Baby in den Arm gedrückt. Das Baby war weniger davon begeistert...
Eine Frau hat mir einfach so ihr Baby in den Arm gedrückt. Das Baby war weniger davon begeistert…

Mir ist hier auch noch einmal mehr aufgefallen, was wirklich mit der nepalesischen Gastfreundschaft gemeint ist. Natürlich spielt die Neugierde auch ein bisschen mit rein, die zwei Weißen da ein bisschen besser kennenzulernen, aber in Deutschland würde man nie einfach so auf einen Tee eingeladen werden, und eine so spontane Einladung von einem Fremden würde vermutlich auch keiner Annehmen, weil das Misstrauen viel zu groß wäre. Wir wurden auch einmal zum Rektor und einmal zu einer anderen Lehrerin nach Hause zum Abendessen eingeladen, wo es beides Mal natürlich Dal Bhat gab, aber beide haben für uns extra Fleisch gemacht. Bei der Lehrerin hatte ich da ein leicht verstörendes Erlebnis, weil in meinem Fleisch einfach ein ganzer Hühnerfuß lag! Ich wusste dann gar nicht, was genau man davon isst und was nicht, und ich fand es auch total komisch an so einem Fuß herumzuknabbern, der sich irgendwie wie eine kleine Hand angefühlt hat… Die Lehrerin hat dann gefragt, ob ich kein Fleisch mag, aber als ich gesagt hab, dass ich nur nicht weiß, wie ich diesen Fuß essen soll, hat sie auch verständnisvoll gesagt ich muss ihn nicht essen. Ich glaube ich sah ziemlich unbeholfen aus, wie ich an diesem Fuß rumgenagt hab, da war ich froh, dass sie mich erlöst hat;)

Handynetz hat man dort mit einer nepalesischen Simkarte (es gibt eh nur einen großen und einen etwas kleineren Netzanbieter) übrigens relativ gutes. Mit der Simkarte konnten wir auch das mobile Internet nutzen, und in der Schule gab es sogar Wlan, was aber, wenn es denn mal Strom gab, meistens nicht funktioniert hat. Die Powercuts, also Stromsperren, gibt es hier genauso wie in Kathmandu, wenn nicht sogar noch mehr. Einige Häuser haben aber kleine Solarplatten, mit denen dann wenigstens eine Glühbirne betrieben werden kann, wenn abends der Strom ausfällt. Es ist also nicht so, dass hier noch alles unberührt von jeglicher Technik ist. Auch haben viele ein Smartphone, wie könnte man denn sonst so viele Selfies machen;)

Was hier auch auffällt, ist dass sich Mülleimer und Müllentsorgung noch gar nicht etabliert hat. Die Leute produzieren zwar zum einen lang nicht so viel Müll wie Leute die in der Stadt leben, weil sie eben vieles selber machen, aber vielleicht ist gerade deshalb das Bewusstsein dafür so gar nicht entwickelt. Was am meisten auffällt, sind kleine, nur wenige Zentimeter große Plastiktütchen, die alle paar Meter auf der Straße liegen. Dabei handelt es sich um Verpackungen von Kautabak, der hier von fast allen Männern konsumiert wird. Das Tütchen wird aufgerissen, der Inhalt in den Mund geleert, und das Plastik noch in derselben Bewegung einfach auf den Boden geworfen. Von den Männern wird leider auch ziemlich viel Alkohol getrunken. Ich kann mir vorstellen, dass da auch schlichtweg die Langeweile mit reinspielt, wenn man den ganzen Tag nichts zu tun hat, wird es eben schnell zur Gewohnheit, sich schon nachmittags zum Trinken zu treffen.

Hier, wo nicht so viel Polizei unterwegs ist, wird das mit dem Verbot auf dem Busdach zu fahren nicht besonders eng gesehen...
Hier, wo nicht so viel Polizei unterwegs ist, wird das mit dem Verbot auf dem Busdach zu fahren nicht besonders eng gesehen…
Wenn man einen Schrank transportieren will, aber nur eine kleine Elektrorikscha hat, dann transportiert man eben den Schrank auf der Elektrorikscha!
Wenn man einen Schrank transportieren will, aber nur eine kleine Elektrorikscha hat, dann transportiert man eben den Schrank auf der Elektrorikscha!

Ich vermisse jetzt in Kathmandu schon diese positive Stimmung in dem Dorf, irgendwie waren alle freundlich und nett. Auch war es landschaftlich gesehen wunderschön, wie jeden Morgen die Sonne als roter Ball aufging, und der Mond war auch oft tief orange gefärbt. Ich würde die Menschen hier übrigens auch nicht wirklich als arm bezeichnen. Wir haben in einem Dorf der Mittelklasse gelebt, und wenn jemand von Deutschland direkt hierher kommen würde, und beispielsweise die Lehmhäuser sehen würde, würde er vielleicht denken „Ohje die armen Leute müssen in so kleinen Hütten hausen, ohne Mauern und nur mit Stroh gedeckt“. Aber erstens ist es für die Leute das normalste der Welt, kein eigenes Zimmer zu haben, oder sich an einem Brunnen zu waschen, und zweitens ist so eine Lehmhütte ja nichts schlechtes, sie erfüllt bestens ihren Zweck. Auch wenn es für uns etwas selbstgebastelt aussehen mag, was es im Grunde ja auch ist, sind die Techniken über viele viele Jahre erprobt und ausgefeilt. Ich habe eher das Gefühl, dass die Leute von hier erst arm wirken, wenn sie in eine große Stadt oder in ein Industrieland gehen, wo wirklich der Kontostand über den Lebensstandard entscheidet. Wenn man in einem solchen Dorf aufwächst ist das also kein schlechtes oder trauriges Leben, nur hat man auf Dauer eben keine großen Möglichkeiten und wenig wirkliche Karrieremöglichkeiten. Wenn man also etwas erreichen will, oder schon allein um zu Studieren, muss man schon mindestens nach Kathmandu gehen. Den Vorschlag meiner Gastmutter, mir doch einen nepalesischen Mann zu nehmen, und hier zu bleiben, musste ich deshalb dann leider doch ausschlagen;) Hier bestimmen übrigens meistens die Eltern, wen man heiratet, und eine Hochzeit ist auch oft einfach Mittel zum Zweck, um die Versorgung der Tochter sicher zu stellen. Wie genau das dann aber mit der Hochzeit aussieht, schreibe ich in einem der folgenden Einträge, wenn ich von der Hochzeit erzähle, die wir besucht haben.

Weiter geht’s im nächsten Eintrag mit allem rund um die Schule, an der wir unterrichtet haben.

Bis Bald,

Eure Josie

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