#18 Andere Länder, Andere Sitten – Typisch Nepalesisch

Als Europäer in Nepal fällt man auf. Vielleicht nicht gerade wenn man sich im Touristenviertel Thamel aufhält, aber sobald man dieses Viertel verlässt, merkt man deutlich wie man angeschaut wird. Wir haben hellere Haut, hellere Haare, sind im Durchschnitt größer und reden eine andere Sprache. Wenn man aber eine Weile von Nepalesen umgeben ist, fallen einem einige Angewohnheiten oder Gesten auf, die sie alle gemein haben, und von denen man sich das ein oder andere abschauen kann, um sich wenigstens nicht ganz so „alienartig“ zu verhalten, wie man aussieht. Vieles davon ist nicht wirklich nur typisch nepalesisch, sondern allgemein im asiatischen oder arabischen Raum verbreitet. Untypisch für uns Europäer oder Westler ist es aber allemal. Angewohnheiten oder typische Gesten der Nepalesen, die ich mir teilweise inzwischen selbst angewöhnt habe, und durch die man ein kleines Stück nepalesischer wird, lest ihr in den folgenden Punkten:

1. Das Kopfwackeln

Nicken = Ja, Kopfschütteln = Nein. So einfach ist das in Deutschland, und Nicken und Kopfschütteln wird hier auch genauso benutzt und verstanden, wie bei uns und beim Rest der Welt (glaube ich zumindest) auch. Was hier aber noch dazu kommt, ist das anfangs sehr mysteriöse und vielfach falsch verstandene Kopfwackeln. Mit Kopfwackeln meine ich, dass der Kopf in die Richtung bewegt wird, als würde man versuchen die Schulter mit dem Ohr zu berühren, nur ganz leicht und kurz, quasi wie ein seitliches Nicken, wenn man so will. Das bedeutet dann nicht „Hmm nein, vielleicht…“, wie man es in Deutschland vielleicht verwenden würde. Dieses Zeichen ist ein klares „Ja, ok“.

Sich an diese Geste zu gewöhnen, ist vor allem am Anfang gar nicht so einfach. Es ist mir dann schon passiert, dass ich ein Kind für die Prüfungen abgefragt habe, und es eine nicht ganz richtige Antwort gegeben hat, woraufhin ich dann „Hmm…“ gesagt habe und dazu unbewusst meinen Kopf schräg gelegt habe. Das Kind dachte dann, die Antwort wäre richtig, dabei habe ich eigentlich das Gegenteil gemeint. Genauso ist es andersrum passiert, dass ich Kinder etwas gefragt habe, sie mit dem Kopf gewackelt haben, woraufhin ich dachte die Antwort wäre Nein, obwohl sie Ja war. Inzwischen habe ich mir diese Bewegung aber selber ein bisschen angewöhnt, es funktioniert in der Kommunikation mit den Nepalesen ja bestens. In Deutschland sollte ich diese Geste aber schnell wieder loswerden, ich habe ja gesehen zu welch einer Verwirrung das führen kann…

2.Nepalesisch Trinken

Wie bitte trinkt man nepalesisch?! Dass normales Wassertrinken etwas sein kann, dass man lernen muss hätte ich nicht gedacht. Trinkt man in Nepal nämlich aus einer Flasche oder aus einem Krug, dann berühren die Nepalesen die Flasche dabei niemals mit dem Mund, sondern legen den Kopf in den Nacken und gießen sich das Wasser einfach in den Mund, als wäre es so einfach wie Blumengießen. Ihr könnt das ja gerne mal ausprobieren, ich finde es am Anfang total ungewohnt und es bedarf auch einiger Übung meiner Meinung nach, aber wenn man es mal raus hat, ist es verdammt praktisch. Der Sinn dahinter ist, dass so einfach und hygienisch alle aus der gleichen Flasche trinken können, und gerade bei so vielen Kindern hier, muss man nicht extra immer Gläser für jeden holen. Man kann Flaschen auch viel öfter verwenden, außer dem Wasser war ja nichts dran. Wer das zweite Level im nepalesisch Trinken erreichen möchte, kann versuchen gleichzeitig mit dem eingießen auch zu Schlucken. Das beherrschen aber nicht mal alle unserer Kinder, und es erfordert ziemlich hohe Konzentration wie ich finde, ist aber nicht unmöglich. Es hat den zusätzlichen Vorteil, dass man sich mal schnell eine halbe Flasche runterkippen kann, ohne sie mit dem Mund zu berühren. Das Schlucken habe ich bisher nur in Ausnahmefällen hingekriegt, und nicht wenige Trinkversuche haben damit geendet, dass der komplette Flascheninhalt auf meinem Tshirt gelandet ist und die Kinder sich schön über mich amüsieren durften. Ich finde aber gerade beim Zähneputzen, wofür wir ja auch Trinkwasser in Flaschen verwenden, ist die Nepali Trinkmethode durchaus nützlich, wenn man nicht den kompletten Schaum an der Flasche hängen haben will. Auch wenn man mal krank ist, hat man kein Problem mehr von anderer Leute Flaschen einen Schuck zu trinken. Diese Sitte fände ich also auch in Deutschland in der ein oder anderen Situation nicht fehl am Platz.

3.Warum ich „Josie-Auntie“ und nicht nur Josie genannt werde

Was die Nepalesen wirklich alle machen, ist dass sie sich gegenseitig so gut wie nie nur mit ihrem Namen anreden, sondern immer das nepalesische Wort für „Bruder“ oder „Schwester“ anhängen. Dabei gibt es aber jeweils noch zwei unterschiedliche Formen. Zu einem jüngeren Mädchen sagt man „Bahini“, was so viel wie jüngere Schwester bedeutet. Ein gleichaltriges, oder älteres Mädchen nennt man „Didi“, während man einen jüngeren Jungen „Bhai“ nennt, und den älteren „Dai“, was beides Bruder bedeutet. Wir Praktikanten werden von den Kindern mit „Auntie“ oder „Uncle“ angeredet, oder von den älteren mit „Sister“ oder „Brother“. Ich bin also meistens „Josie Auntie“, oder „Josie Sister“, oder manchmal nur „Auntie“ oder „Sister“. Ich finde das eigentlich ganz schön so angesprochen zu werden, als wären alle eine große Familie. Die Differenzierung zwischen Älteren und Jüngeren, was gleichzeitig auch die Stellung derjenigen Person ausdrückt, ist meinem Empfinden nach ein Überbleibsel des Kastenwesens, bei dem es immer wichtig war, zu wissen, ob jemand einem über- oder untergestellt ist. Es ist aber auch einfach ziemlich praktisch alle mit „Bahini“, „Didi“, „Bhai“ oder „Dai“ ansprechen zu können. Man hat immer ein Wort um jemanden anzureden, auch wenn man den Namen nicht kennt. Auch Kellner ruft man einfach mit „Dai!“, und muss nicht irgendwie mit „Entschuldigung, äh Hallo, Entschuldigung…“ rumdrucksen, wie das auf Deutsch manchmal der Fall ist.

4.Hand in Hand

Wer bei uns Händchen hält, das sind Paare, Mütter mit Kindern und vielleicht manchmal befreundete Mädchen. In Nepal ist das ein bisschen anders: Paare, die in der Öffentlichkeit Händchen halten, sind unter dem Großteil der Bevölkerung ein absolutes No-Go und ein unglaublich seltener Anblick. Was man dagegen hier ständig, und in Deutschland quasi nie sieht, sind befreundete Männer allen Alters, die Händchen haltend, oder auch manchmal die Arme umeinander gelegt die Straße entlang gehen. Ich muss zugeben, diesen Anblick fand ich am Anfang sehr verwirrend, aber inzwischen finde ich es zugegebenermaßen ziemlich süß wenn Männer und auch ganz moderne jugendliche Jungs Hand in Hand laufen. Man sieht auch oft in Restaurants und Bars, wie sich junge Männer gegenseitig den Arm um die Schulter legen und fast schon kuscheln, einfach aus Freundschaft. Sich an diese Geste zu gewöhnen und nicht wegzuzucken und komisch zu schauen, wenn ein gleichaltriger Nepalese seine Hand nimmt ist für die meisten europäischen Jungs ziemlich ungewohnt. Ich finde es aber eigentlich ganz schön, dass Jungs hier so offen zu ihren Freundschaften stehen. Übrigens, auch wenn es damit nichts zu tun hat: Homosexualität ist in Nepal legal, wird aber vom Großteil der Bevölkerung totgeschwiegen, und dass es sogar homosexuelle Frauen gibt, das kommt für die meisten nicht mal im Traum in Frage.

5.Wo bleibt nur die Straßenverkehrsordnung wenn man sie mal braucht…

Der Straßenverkehr in Kathmandu ist wirklich ein Phänomen für sich. Quasi ohne Verkehrsregeln und Straßenschilder (Ich habe in den vergangenen 4 Monaten genau eine Kreuzung mit Ampeln gesehen) fährt hier alles in unzählbar vielen Spuren auf der Straße entlang. Wichtigstes Kommunikationsmittel: Hupen. Ich habe mal aus Spaß immer nachdem ich ein Hupen gehört habe Sekunden gezählt, bis ich das Nächste höre. Über die 8 bin ich nicht hinausgekommen. Man darf das Gehupe aber gerade abseits der Ringroad, der einzigen größeren Straße, keinesfalls ignorieren, sonst läuft man Gefahr von einem Roller überrannt zu werden. Dazu kommt noch der Linksverkehr, an den man sich auch erstmal gewöhnen muss. Das unvorstellbare für uns Deutsche, die wir schon im Kindergarten Besuch vom kleinen Zebra bekommen, das uns die Anfänge unserer komplizierten Verkehrsregeln erklärt, ist aber, dass es funktioniert. Und man muss als Westler in Nepal wirklich das defensive Verhalten, das uns im Straßenverkehr beigebracht wurde, aufgeben, sonst hat man verloren. Wenn man die Straße überquert wartet man nicht bis sie frei wird (das ist sie eh quasi nie), sondern man muss einfach in die nächst beste Lücke reinlaufen, und am besten dem Fahrzeug, das da kommt mit einer ausgestreckten Hand bedeuten, dass es jetzt zu warten hat, und so kommt man in Schlangenlinien irgendwie über die Straße, was doch jedes Mal wieder ein kleines Abenteuer ist. Klingt chaotisch und ist chaotisch, aber funktioniert.

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6.Andere Länder, andere Gesten

Auf der Straße und bei den Kindern habe ich mit der Zeit charakteristische Gesten für gewisse Dinge beobachtet:

  • Erste Lektion für jeden der nach Nepal kommt: Zur Begrüßung sagt man „Namaste“ und legt dabei die Handflächen vor der Brust zusammen. Besonders höflich ist es, dabei eine leichte Verbeugung anzudeuten und mit den Fingern die Stirn zu berühren.
  • Bekommt man in Geschäften Rückgeld, oder wird einem allgemein etwas übergeben, legen die meisten Nepalesen die linke Hand unter den rechten Arm, mit dem man die Sache übergibt
  • Wenn sich die Kinder für etwas entschuldigen, ziehen sie sich dabei an den Ohrläppchen, und wenn sie etwas versprechen ziehen sie leicht am Kehlkopf
  • Tritt man beispielsweise ausversehen auf ein Buch, sorgt man danach wieder für gute Stimmung bei den Göttern, indem man zuerst das Buch, dann die Stirn, die Brust und nochmal die Stirn berührt.

Außer an das Händefalten für Namaste habe ich mich an die anderen Sachen bisher nicht angepasst, aber was nicht ist, kann ja noch werden;)

7. Weil ich es unter diesem Titel einfach nicht weglassen konnte: Alle Nepalesen lieben Dal Bhat, und essen es täglich (die ganz reiche Oberschicht nicht unbedingt immer, aber der Rest ausnahmslos). Zur Erinnerung: Dal Bhat ist das Nationalgericht Nepals, das auch Reis, Linsensoße und Gemüse besteht, und auch bei uns im Haus zwei Mal täglich mit der rechten Hand gegessen wird. Sprüche wie „Dal Bhat Power – 24 hour“ oder „Without Dal Bhat, we are nothing“ bekommt man hier öfter zu hören, und es gibt sogar auch Tshirts, die damit bedruckt sind.

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Hier nochmal unser täglich Brot:) Man kann übrigens beliebig viel nachnehmen, und die Reisberge die manche der Kinder verputzen können sind wirklich unglaublich.

8.Just wait, we will see…

Diesen Satz bekomme ich ziemlich häufig zu hören, wenn ich versuche mit Nepalesen irgendwas auszumachen oder gar zu planen. Wir deutschen sind ja bekannter Weise relativ organisations- und planungsverrückt. Für alles gibt es einen Plan, alles hat ein System und seinen Regelkatalog (ich verweise auf den Straßenverkehr) und man weiß meistens was als nächstes passieren wird. Von diesem Gedanken muss man sich in Nepal grundsätzlich verabschieden. Schon alleine eine Busfahrt muss man ganz anders angehen. Man kann nicht zuerst auf den Busfahrplan schauen und dann zur Bushaltestelle laufen wann der nächste Bus kommt und somit genau sagen, wann man den Zielort erreichen wird. So etwas wie einen Busfahrplan gibt es nämlich schonmal nicht. Irgendeine Art Buslinien muss es geben, die Busse haben nämlich in der Windschutzscheibe ein Schild mit einer Nummer und ihrem Ziel liegen (leider in nepalesischer Schrift), aber ob man auf den nächsten Bus 1 oder 15 Minuten wartet, das kann man vorher nie wissen. Auch ob man den letzten Bus um 18:50 Uhr oder um 19:20 Uhr bekommt ist reine Glückssache. Damit muss man sich einfach arrangieren, denn wenn ich hier eine Sache gelernt habe, dann, dass es immer irgendwie geht. Auch meine Reise nach Chitwan in den Nationalpark haben wir letztendlich am Tag vorher gebucht, was aber auch für keinen der beteiligten ein Problem war. Von dieser „Gechilltheit“ der Nepalesen könnten wir uns in manchen Fällen wirklich mal eine Scheibe abschneiden.

So, diese Punkte gehören glaube ich zu den Dingen (lange nicht alle…), mit denen ich beschreiben würde warum und inwiefern Nepal und die Nepalesen anders sind als Deutschland und die Deutschen. Ich hoffe ihr könnt euch durch diese Beispiele etwas besser vorstellen, wie es in Nepal anderen, unwestlichen Kulturen so zugeht (auch wenn dieser Blog etwas Bilderarm ausgefallen ist).

Wie bereits im letzten Blog erwähnt, werde ich das was im „wahren“ Nepal, nämlich außerhalb von Kathmandu, abgeht in den nächsten 2 Wochen hautnah erfahren, wenn ich in ein Dorf in Bardiya in den Westen Nepals fahre, wo ich mit einem anderen Praktikanten Englischunterricht an einer Schule geben werde. Was ich dort erlebe, darauf bin ich unglaublich gespannt, aber ich werde es ausführlich berichten!

Bis in zwei Wochen,

Eure Josie

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