#17 Hinduismus live und im Dreierpack

Hier in Nepal, wo 80% der Bevölkerung Anhänger des Hinduismus sind, konnte ich in den letzten Wochen gleich drei Mal hautnah die Praktizierung dieses Glaubens, der mit so vielen Ritualen verbunden ist, erleben. Zum einen habe ich Pashupatinath besucht, ein Ort am heiligen Fluss Bagmati, wo öffentliche Feuerbestattungen stattfinden. Dann war bei uns im Haus die riiiesig große Feier des sogenannten Bartabandas, einer Zeremonie, die einen Jungen rituell gesehen zu einem Mann macht, und ihm dadurch erlaubt zu heiraten und andere Rituale zu vollziehen. Drittens war am Samstag „Saraswoti Poosa“, ein Tag an dem in allen Schulen der Saraswoti, der Göttin des Lernens und der Bildung, gehuldigt wird.

1. Pashupatinath

In den meisten Kasten und Untergruppen des Hinduismus werden Tote nicht begraben, sondern eingeäschert, also verbrannt. Beim Besuch von Pashupatinath, ein Muss wenn man in Kathmandu ist, kann man bei dieser Praktik live dabei sein. Nachdem man vorbei an zahlreichen Tempeln und Schreinen geht, die meistens nur für Hindus zugänglich sind, (und vorbei an einem Ticketschalter, an dem Nicht-Nepalesen 1000 Rupien, also ca. 10€ bezahlen müssen…) kommt man an das Flussufer des Bagmati Flusses, der eine der wichtigsten Pilgerstätten für Hindus aus aller Welt darstellt (gleichzeitig aber trotzdem ziemlich vermüllt ist, aber das ist ein anderes Thema). Bevor man es wirklich realisiert steht man direkt davor und sieht, wie in weiße Leinen eingewickelte Körper auf präparierte Holzhaufen gehoben und verbrannt werden. Das klingt ziemlich verstörend und die Bilder von brennenden Körpern haben mich sehr an gewisse Krimiserien erinnert. An den Scheiterhäufen vorbei zu laufen, auf denen gerade menschliche Leichen verbrennen, war sehr beeindruckend und kam einem genauso unreal vor wie es sich anhört. Die Atmosphäre war aber lang nicht so bedrückend oder trauernd, wie ich es erwartet hätte. Es geht sehr nüchtern und sachlich zu, was sich aber schnell erklären lässt wenn man bedenkt, wie viele Menschen hier täglich bestattet werden müssen. Die Asche der Verstorbenen wird nach ihrer Verbrennung dann in den heiligen Fluss gestreut. Wer übrigens an diesem heiligen Fluss verbrannt wird, der kann sich ziemlich sicher sein, dass er den Zyklus der Wiedergeburten, an den die Hindus glauben, durchschritten hat und nicht mehr in anderer Gestalt zurück auf die Erde geboren wird.

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Hinweisschild vor einem der Tempel.

Hier konnte man auch mal wieder sehen, in wie weit das Kastensystem immer noch praktiziert wird, obwohl es offiziell schon längst abgeschafft ist. Es gibt nämlich neben dem sogenannten „Ghat“, also der Stelle an der die Verbrennungen stattfinden, der auf dem obigen Foto ist, noch einen. Man sieht ihm schon an, dass er nicht so nach schneller Abfertigung aussieht, weil es weniger Verbrennungsstellen gibt, er ist nämlich ausschließlich für die höheren Kasten bestimmt, während auf dem anderen Ghat jeder verbrannt werden kann.

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„Arya Ghat“. wo die höheren Kasten verbrannt werden.

Bis vor ungefähr 200 Jahren waren Pashupatinath und andere Kremationsstätten allerdings gleichzeitig zur Verbrennung der Leichen Schauplätze einer der brutalsten Bräuche im Hinduismus: Der Witwenverbrennung, Sati genannt. Dieser Brauch, bei dem die zurückgebliebene Witwe mit ihrem verstorbenen Ehemann auf dem Scheiterhaufen in den Tod geht, ist schon über tausend Jahre alt, und sein Ursprung ist nicht vollständig geklärt. Begründet wird diese Praktik damit, dass das Leben für die verwitweten Frauen kaum noch lebenswert war, weil ihr Leben komplett an das des Mannes gekoppelt war, und sie somit jegliche Lebensgrundlage verloren haben, wodurch der Schritt zur Prostitution nur noch ein ganz kleiner war. Bevor sie dadurch Schmach über alle Angehörigen gebracht hätten, wurde der Tod durch Sati als besserer Ausweg betrachtet. Außerdem wurden Witwen oft als hinterlistige Verführerinnen angesehen, mit denen man sich nicht abgeben sollte. Es gibt viele Überlieferungen von Frauen, die von ihren Verwandten mit Stöcken ins Feuer getrieben wurden, aber auch zahlreiche Geschichten von Witwen, die freiwillig den Feuertod suchten. 1705 begingen beispielsweise nach dem Tod eines Königs alle seine 31 Frauen gemeinsam Sati, die höchste in Nepal verzeichnete Zahl. Auch in Indien war dieser Brauch gang und gäbe, und ist es in sehr seltenen Einzelfällen immer noch. Während der Britischen Kolonialzeit in Indien wurde der Brauch 1829 verboten und strafbar gemacht. In Nepal war Sati noch bis 1920 mit Genehmigung des Premierministers erlaubt, der mit der endgültigen Abschaffung des Brauches allerdings den Zorn vieler orthodoxer Hindus, darunter erstaunlicherweise auch vieler Frauen, auf sich zog.

2. Batrabanda oder Bratabanda

Von diesem doch etwas schockierenden Thema, zu einem ganz fröhlichen und feierlichen: Die Feier des Batrabandas. Die größten Feste des Hinduismus Dasshain und Tihar, die ich hier auch schon erleben durfte, waren nichts gegen diese riesen Veranstaltung, die uns im Vornerein als wie eine „Hochzeit ohne Braut“ angekündigt wurde. Bei dieser Zeremonie, die jeder Junge einmal machen muss, soll er für seinen Weg ins Erwachsenenleben gewappnet werden, und ohne diese Zeremonie ist es ihm beispielsweise nicht erlaubt zu heiraten, oder gewisse Rituale, zum Beispiel im Todesfall eines Angehörigen, auszuführen. Für unseren Hausleiter, seinen Bruder und einen anderen Verwandten, die alle drei diese Zeremonie gemacht haben, ging es schon am Vorabend los. Sie haben in einem extra Raum geschlafen und getrennt von den anderen gegessen, und man durfte sie auch auf keinen Fall stören, weil sie in der Zeit eine Art rituelle Reinigung durchlaufen. Auf dem Platz neben unserem Haus, der normalerweise als Fußballplatz genutzt wird, wurde ein riesiges Zelt aufgebaut.

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Vorne war aus Bambusstäben und reichlich verziert dieses Pavillonartige Gebilde aufgebaut worden.

Am nächsten Tag ging die Zeremonie dann schon früh morgens los und dauerte ungefähr bis 12 Uhr. Das war alles interessant anzuschauen und so weiter, wäre da nicht dieser Hunger gewesen… Es scheint bei solchen Festen nämlich irgendwie üblich zu sein, dass es vor Ende der Zeremonie nichts zu essen gibt, was zu vielen hungrigen Mägen geführt hat. Die Kinder haben das aber mehr oder weniger einfach so hingenommen. Von dem Gequengel, das man von deutschen Kindern erwarten würde, die seit um 5 wach sind, aber erst um 12 Uhr was zu essen bekommen, war nichts zu hören.

Aber zurück zum eigentlichen Geschehen. Die Zeremonie lief wie folgt ab: Die drei zu zeremonierenden (oder zu bartabandierenden, wie auch immer…) saßen vor dem Gebilde aus Bambusstäben und haben sich die Mantren, Gesänge und Sprüche angehört, die zwei Priester vorgetragen haben. Dabei wurden viele verschiedene Rituale begangen. Sie bekamen ein interessantes gelbes Gewickel auf den Kopf, zwischendurch kam die Familie hinzu und alle haben die Hände zusammengehalten, dann wurden die drei unter einem roten Tuch bedeckt, haben sich mit Wasser und Reis besprenkelt, und noch diverse andere kleine Rituale ausgeführt.

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IMG_4547Inzwischen verstehe ich, warum man oft liest, dass der Hinduismus weniger von einer gewissen Lehre, als von der Ausführung gewisser Rituale lebt. Währenddessen kam übrigens auch eine Art traditionelle Musikgruppe, die immer wieder äußert interessante Musik von sich gegeben hat.

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Man beachte auch die riesigen Blasinstrumente hinten, sowas habe ich vorher noch nie gesehen.

 

Während sich die Band eingestimmt hat, haben sich ein paar unserer Jungs schon kräftig zur Musik ausgetobt.
Während sich die Band eingestimmt hat, haben sich ein paar unserer Jungs schon kräftig zur Musik ausgetobt.

Dann kam der ausschlaggebende Teil der Zeremonie: Das Haare schneiden. Vom Priester wurde den drei Glücklichen die Haare komplett abrasiert, bis auf kleines Zöpfchen am Hinterkopf, das stehen gelassen wurde. Ästhetik pur. Aber darauf kommt es in diesem Fall ja nicht an:) Wo wir schon bei der Ästhetik sind, danach mussten sie ein spezielles gelbes Gewand anziehen, und haben wieder das gelbe Gewickel auf den Kopf bekommen. Anschließend haben sie einen Stock in die Hand genommen und mussten damit immer wieder den kleinen Bambuspavillon umrunden, was symbolisch für den Lebensweg stehen soll, der vor ihnen liegt. Zwischendurch kamen dann wieder Mantren und Gesänge von den Priestern und diverse andere kleine Rituale.

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Na sitzt der Rock?
Na sitzt der Rock?
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Die Krönung: Wenn der Priester mal eben kurz telefonieren muss, dann muss der Priester mal eben kurz telefonieren.
Die drei auf Wanderschaft...
Die Drei auf Wanderschaft…

In der Zwischenzeit hat sich das Zelt gefüllt mit zahlreichen Verwandten, Freunden und Bekannten und auch allen Lehrern der Schule (die Schule in an dem Tag für die Kinder ausgefallen, und da unsere Kinder ungefähr die Hälfte der Schüler ausmachen, war nach der vierten Stunde für den Rest auch Schluss), wodurch am Ende an die 200 Leute anwesend waren, alle unglaublich schick und festlich angezogen. Es ist übrigens auch üblich denjenigen, der das Batrabanda macht, zu beschenken, weswegen die meisten der Gäste Teller aus Bananenblättern mit Reis, Obst und Geld als Gabe dabei hatten. Nachdem die Zeremonie an sich dann vorbei war, sind die drei von Gast zu Gast gegangen, wurden mit rotem Farbpulver beschmiert und haben den ganzen Reis von den Gabentellern in einer Art großem Korb gesammelt.

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Dann durften sich die drei auch endlich wieder umziehen, und haben ein festliches traditionelles nepalesisches Gewand getragen, was wie eine Art Anzug aus Leinen aussieht. Währenddessen ging die Feier richtig ab, es wurde fleißig zu dem Gedudel der Musikgruppe getanzt, und alle waren richtig gut drauf.

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Eine Tika (roter Punkt) gab es natürlich auch wieder, wie zu allen festlichen Anlässen.
Eine Tika (roter Punkt) gab es natürlich auch wieder, wie zu allen festlichen Anlässen.

Essen gab es übrigens von einer Art Catering Service, der ein Buffet aufgebaut hatte, und draußen in einer, wenn man so will, Outdoor-Küche das leckere Essen zubereitet hat. Es gab Reis (surprise, surprise…) mit verschiedenen Soßen, leckerem Gemüse, unter anderem Blumenkohl mit so etwas wie selbstgemachten Pommes, eine Art Brei aus Karotten und Milch, und zum Nachtisch eine Art Joghurt.

Die Küche...
Die Küche…

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CHILLIALARM!!!

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Nachmittags hat sich das Haus dann nach und nach geleert und bis zum Abend war fast alles wieder abgebaut. Nachdem ein paar Verwandte, die noch im Haus übernachtet haben, am nächsten Tag abgereist sind, ist wieder Normalität eingekehrt. Nur die Mützen, die unsere Hausleiter seitdem zur Kaschieren ihrer Glatzen tragen, zeugen noch von dem großen Fest.

3. Saraswoti Poosa

Am darauffolgenden Samstag war gleich wieder ein Event. Es ging dabei um die Verehrung der Göttin Saraswoti, die für die Bildung zuständig ist. Dieses Fest wird einmal im Jahr gefeiert, wozu fast alle Schulen eine kleine Feier veranstalten, bei der jeder der Göttin huldigen kann. Die Schule war mit Girlanden geschmückt, alle waren schick angezogen, und es wurden Tänze aufgeführt, Gedichte vorgetragen und Preise für Sportwettkämpfe, die in den vergangenen Tagen schulintern stattgefunden haben, verliehen. Da es allerdings sehr viele Wettkämpfe gab, und sich die Disziplinen nicht auf Fußball und Basketball beschränkt haben, sondern viele weitere Spiele wie Schach, Reise nach Jerusalem oder Heiße Kartoffel eingeschlossen haben, hat sich die Sache allerdings etwas gezogen. Zum Ende gab es dann noch Essen für alle, und um 12 waren wir schon wieder zu Hause (wenn man um 7 losgeht ist „schon“ relativ, aber immerhin…).

Die Geschmückte Schule, und wie alle anstehen, um der Göttin zu huldigen.
Die Geschmückte Schule, und wie alle anstehen, um der Göttin zu huldigen.
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Die Tanzdarbietung, natürlich schön nepalesisch mit viel Hüftgewackel und Fingergekreise.
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Verteilung der Preise.
Eine Kleinigkeit zu essen gab es sogar auch, Couscous (oder etwas in der Art) mit Brokkoli.
Eine Kleinigkeit zu essen gab es sogar auch, Couscous (oder etwas in der Art) mit Brokkoli und Kartoffeln.

Die vergangenen Wochen waren also voller kultureller Einblicke in ebenso spezielle und einmalige, wie normale und alltägliche Praktiken im Hinduismus. Wer sich übrigens gefragt hat, ob hier auch eine Art Fasching gefeiert wird, den muss ich leider enttäuschen. Davon war hier keine Spur zu sehen. Was allerdings ein Feiertag war, war der erste Tag eines nepalesischen Monats in der Mitte unseres Januars, an dem das Ende des Winters gefeiert wurde, was ja auch der eigentliche Grund unseres Faschings ist. Es gab an diesem Tag zum Tiffin, dem Mittagssnack, spezielle Süßkartoffeln und anderes interessantes Gemüse und danach gaaaanz viel Süßes.

Die Kartoffeln und das andere "Gemüse" mit dem sagen wir mal interessanten Geschmack...
Die Kartoffeln und das andere „Gemüse“ mit dem sagen wir mal interessanten Geschmack…
Es war ein Wunder, dass an diesem Tag keiner einen Zuckerschock bekommen hat. Das ganze Zeug war "Babbsüß"
Es war ein Wunder, dass an diesem Tag keiner einen Zuckerschock bekommen hat. Das ganze Zeug war „Babbsüß“…

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Was hier im Touristenviertel allerdings ziemlich gehyped wurde, wie alles was auch in Amerika groß gefeiert wird, war der Valentinstag, wo es viele Angebote gab, und gerade die Bäckereien haben einen ziemlichen Trubel darum gemacht.

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In den nächsten Tagen werde ich vermutlich nochmal von mir hören lassen, bevor ich für 2 Wochen ein ganz besonderes Projekt besuchen werde: Eine Schule in einem Dorf im fernen Westen Nepals, wo ich das wirklich echte ursprüngliche nepalesische Leben kennen lernen werde. Was ich von da erzählen werde, darauf bin auch ich schon sehr sehr gespannt, und ich werde ausführlich davon berichten.

Bis Bald,

Eure Josie

 

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